Jetzt ist es raus: Glück ist KEIN Zufall! Pech auch nicht.
Gestern Abend hatten Florian und ich ein Stündchen Zeit für unsere derzeitige Lieblingsbeschäftigung auf Netflix. Dort schauen wir im Augenblick nichts lieber als "Penn & Teller - Fool Us!" - eine Zaubershow, in der die besten Magier Amerikas ihre Tricks zeigen und die beiden Ultraprofizauberer Penn und Teller sollen sie dabei entlarven.
Eine Frau trat auf (das ist in der Magierszene selten, denn offenbar gibt es wenige Frauen, die Zaubererin werden möchten) und erzählte ihre Geschichte: Sie heißt Suzanne und ist gerade zur besten Close Up Magierin Amerikas gekürt worden. Zaubererin wurde sie erst spät. Sie erkrankte an Krebs und wusste, dass dies der Augenblick sei, um ihr komplettes Leben zu verändern. Sie wollte sich nun alle ihre Träume und Wünsche erfüllen, jetzt, wo es für sie keine guten Prognosen mehr gab.
Sie schilderte, dass sie deutlich spürte, dass die Krankheit keine Bürde für sie ein wollte, sondern ein Wegweiser hin zu ihrer eigentlichen Aufgabe in diesem Leben. Ich zitiere sie wörtlich: "Durch den Krebs bin ich gewachsen. Ich würde heute rückblickend jede einzelne Sekunde der Krankheit wieder durchmachen. Ich bin sogar dankbar für diesen Impuls nach vorne."
Unglaublich
- in einer solchen Lebenslage das ganze Leben verändern? Ich habe die Stelle in der Show gestern Abend zurückgespult. und sie mir noch einmal angesehen. Weil ich erst dachte: Das ist fast ein bisschen unverschämt. Und dann dachte ich: Nö, sie hat die Krankheit ja gehabt und überstanden. Sie kann so dankbar für diesen Bullshit sein, wie sie will!" Und Suzanne hat Glück gehabt. Oder? Wie ist das denn mit dem Glück von Menschen. Und mit dem Pech? Passiert uns Glück zufällig - ähnlich wie eine Reihe von unglücklichen Geschehnissen? Sie lauern uns hinter Büschen und Bäumen auf? Niemand kann das beeinflussen?
Tatsächlich gehört Suzanne zu den Menschen, die offenbar schon früh und in ihrer Kindheit gelernt haben, an ihr Glück und ihre Kraft zu glauben. Das unterscheidet sie von vielen anderen, kranken Menschen. Und auch von vielen Menschen, die im Grunde gesund sind und dennoch fest daran glauben, dass sie ein Pechvogel sind. Weil sie mit ihrem PKW geblitzt wurden oder weil sie nach 20 Jahren Lottospiel immer noch nichts gewonnen haben.
Die gute (und für manche Menschen auch schlechte) Nachricht (und ich bin selbst immer noch völlig beeindruckt davon): Glück ist KEIN Zufall. Pech auch nicht. So einfach ist das.
Dr. Richard Wiseman von der Hartfordshire University in Großbritannien forscht seit Jahren am Phänomen des Glücks und der glücklichen Menschen. Du weißt schon, lieber Leser, diese nervtötenden Typen, denen das "Glück ständig den Allerwertesten pudert und denen im Leben sowieso immer alles gelingt." Dr. Wiseman interessierte sich dafür, was Glückskekse von Pechvögeln genau unterscheidet und was die Glücklichen anders machen als jene, die vermeintlich ständig vom Pech verfolgt sind.
Seine Erkenntnis:
Glückliche Menschen haben ihre Gehirne anders trainiert, als jene, die glauben, dass sie auf der dunklen Seite der Macht geboren wurden. Verschiedene Areale unseres Denkapparates sind nämlich wahlweise aktiv oder inaktiv. Ich schreibe WAHLWEISE, weil das der Wahrheit entspricht.
Studien von Hirnforschen ergaben, dass Menschen, die bei einem Unfall ihre Schreibhand für einige Wochen nicht verwenden konnten, in weniger als 12 Tagen vom Rechts- zum Linkshänder (oder umgekehrt) wurden und dass sich dafür Hirnareale vergrößerten, die vorher klein und unbenutzt "herumlagen".
Dieses Phänomen lässt sich auch bei Menschen messen, die täglich ihren "Glücksmuskel" trainieren.
Der Freiburger Neurobiologe Joachim Bauer erklärt, dass die Stelle im Gehirn, die Vertrauen in die Zukunft, das erfolgreiche Bestehen von Herausforderungen, kurz "die Zuversicht" in uns hält, direkt hinter der Stirn, im sogenannten cingulären Cortex sitzt. Bei Menschen, die fest daran glauben, ein Glückspilz zu sein, ist diese Region aktiver.
Wiseman kommt mit einer äußerst spannenden Studie daher. Über eine großangelegte Befragung identifizierten er und sein Team Menschen, die sich als Glückspilze sahen. Und auch jene, die glaubten, das Pech hänge ihnen an den Fersen. Oder die Zukunft halte keine großartigen Überraschungen für sie bereit.
Dann bestellte Wiseman immer einen "Glückspilz" und einen "Pechvogel" abwechselnd zu einem vermeintlichen, wichtigen Interview für ein wissenschaftliches Magazin in ein Bistro in New York. Das Bistro war komplett präpariert. Alle Tischen wurden mit wissenschaftlichen Mitarbeitern von Wiseman gefüllt - nur an einem Tisch war noch Platz zum Hinsetzen.
Dort wiederum saß ein Schauspieler, der als schicker und selbstsicherer Business-Mann auftrat.
Auf der Treppe zur Einganstür des Bistros wurde eine 10 Dollar Note platziert. Die beiden Probanden mussten sie passieren, einen anderen Weg ins Bistro gab es nicht.
Der "Pechvogel"
war so fokussiert auf das anstehende Interview, dass er die 10 Dollar Note übersah. Er nahm sie gar nicht wahr, hatte sie einfach übersehen. Dann nahm er an dem einzigen, freien Tisch Platz. Dort wartete er angespannt auf Dr. Wiseman und blieb völlig in seinen Gedanken. Den schick gekleideten Herrn am Tisch, der ihm freundlich Hallo gesagt und ihm zugelächelt hatte, ignorierte er nach einer knappen Begrüßung. Als Wiseman schließlich ankam und ihn fragte, wie sein Tag bisher verlaufen sei, antwortete der Unglücksrabe, dass alles sehr normal und wie immer sei und er ein wenig aufgeregt sei, wegen des Interviews.
Der "Glückspilz"
fand die 10 Dollar Note beim Betreten des Bistros, steckte sie in seine Börse und setzte sich an den einzigen, freien Tisch. Dort begann er sofort ein Gespräch mit dem schicken Herrn im Anzug, lachte dabei viel, erzählte von seinem Glücksfund und beide tauschten recht schnell ihre Visitenkarten aus. Als Wiseman ebenfalls zum Tisch gekommen und die Frage nach dem bisherigen Verlauf des Tages gestellt hatte, antwortete der Glückspilz freudestrahlend, dass er bereits ein "kleines Vermögen" auf der Treppe des Bistros gefunden habe. Und dass er einen tollen Geschäftskontakt kennen gelernt hätte, mit dem er am Nachmittag noch telefonieren wolle.
Die "Programmierung" unseres Gehirnes ist dafür zuständig, wie wir unsere Welt wahrnehmen und welche Details wir bemerken. Die Studien von Dr. Wiseman beweisen nun, was viele Neurologen und Linguistiker bereits seit Jahrzehnten vermuten! Hier steht es schwarz auf weiß: Wenn Du glaubst, dass Dir heute noch viele tolle Überraschungen geschehen, dann wirst Du sie erleben. Denn Du deutest Dinge als "tolle Überraschung", die andere gar nicht wahrnehmen oder als selbstverständlich deklarieren.
Der Unterschied dabei? Menschen wie Suzanne, die selbst eine schwere Krebserkrankung als positiven Impuls sehen und dankbar dafür sind, dass ihr Leben nun eine tollkühne Wendung erfährt, sind auch messbar erfolgreicher. Sie erreichen ein deutliches Mehr an ihren gesteckten Zielen. Sie lernen mehr Menschen kennen, sind besser vernetzt und kommen schneller ins Gespräch. Dadurch erhalten sie auch mehr Angebote und werden dadurch immer bekannter und besser in dem, was sie tun. "Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein" ist ein völlig überholter und hohler Passus alter Denke. Menschen, die ihren cingulären Cortex trainieren, sind fast immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Denn es fühlt sich für sie so an.
Kommen nun Glückspilze als Glückspilze zur Welt?
Nein. Pechvögel auch nicht.
Wiseman sagt klipp und klar: Glückskekse haben sich zum Glückskeks trainiert. Und Pechvögel haben auch früh damit begonnen, ihr "Pechvogel"-Areal im Gehirn stark zu machen. Alle Menschen lernen dies nämlich bereits als kleines Kind. Im Alter zwischen 1 und 6 Jahren erfahren Kinder aus dem Verhalten ihrer Eltern, wie viel Glück sie sich im Leben zutrauen dürfen. Sind die Eltern also eher angstvoll, vorsichtig und erzählen häufig von Misserfolgen (bei sich selbst und anderen), prägen sie (ohne es zu wollen) die Richtung ihrer Sprösslinge, wenn es um "Glück im Leben" geht.
Genießen Eltern sichtbar ihr Leben, freuen sich laut über die ersten Sonnenstrahlen, kommentieren ein gutes Essen, machen sich gegenseitig Komplimente und feiern die kleinen und großen Erfolge in ihrem Leben spürbar, so ziehen sie einen weiteren Glückskeks groß.
Und was ist, wenn die Eltern eben nicht das "Glück" mit in die Erziehung gepackt haben? Dann hat Dr. Wiseman gute Nachrichten: JEDER kann auch später noch zum Glückspilz werden. Unser Gehirn kann einfach und schnell neue Bahnungen einrichten. So ähnlich, wie bei den Rechtshändern, die zu Linkshändern wurden - und andersherum.
Er gründete nach seinen vielen Forschungsreihen zu diesem Thema sogar eine Glücks-Akademie, in der weiter gemessen wird, wie schnell und einfach viele seiner tausend Versuchspechvögel mittlerweile die gleichen Aktivitäten im cingulären Cortex zeigen, wie zuvor nur die Glückspilze.
ACHTUNG: Das hat Nebenwirkungen!
Menschen, die mit Dr. Wiseman vom Pechvogel zum Glückspilz wurden, haben zu einem seeeehr hohen Prozentsatz ihr Leben komplett verändert. Sie ergriffen neue Berufe, zogen um, fingen wieder an zu malen oder Romane zu schreiben, saßen mehr in der Sonne und veränderten ihren Freundeskreis.
Du wüsstest gerne, welche zwei Übungen die Menschen machen, um Situps im cingulären Cortex zu erzeugen?
Ich habe für diesen Blogpost so heftig recherchiert - ich kenne sie mittlerweile.
1. Die Übung der 100 Segen
Die historische, jüdische Tradition verlangt, dass jeder Mensch pro Tag 100 Segen aufzählt, die ihm oder ihr widerfahren sind. Dazu gehört "mit einem gesunden Körper aufgestanden" ebenso, wie "ein leckeres, warmes Essen zu mir genommen". Wiseman übertreibt es an dieser Stelle nicht und bittet darum, das "Abendliche Ritual der drei Segenssprüche" einzuführen. Habe ein Notizbüchlein und schreibe jeden Abend vor dem Schlafengehen mindestens drei Dinge auf, für die Du an diesem Tag dankbar bist. Kleine und große. Und wenn Du es schon schaffst, gerne mehr als drei.
2. Die Übung der Lobpreisung
Mach Dir selbst jeden Tag ein kleines Kompliment oder sprich Dir ein Lob aus. So etwas wie: Das habe ich heute souverän gemeistert. Ich war fleißig und habe die Steuererklärung fertig. Oder: Meine Augen sehen heute strahlender aus, als sonst.
Du glaubst, dass das Humbug ist und zu nichts führt? Früher hätte ich Dich damit davon kommen lassen. Heute ist es wissenschaftlich belegbar. Denn Wiseman hat es gemessen und bewiesen.
Bei depressiven Menschen, bei Burnout Patienten, bei Pechvögeln.
Und schon nach 12 Tagen konsequenter Anwendung der zwei Übungen wurden nicht nur völlig andere Hirnregungen festgestellt - auch der Blutsauerstoff hatte sich erhöht. Und das Allgemeinbefinden war ebenfalls besser geworden.
Ich habe keine Ahnung, wie viele 10 Dollar Noten ich heute auf meinem Weg zur Arbeit finde - fest steht, dass ich sie wahrnehmen werde. Und vielleicht rufe ich meine Mutter an und sage ihr "Danke". Denn sie hat mir als ich vier Jahre alt war "verraten", dass ich an einem Sonntag geboren wurde. Und Sonntagskinder sind Glückskinder. Vermutlich habe ich bereits damals angefangen, meinen cingulären Cortex in olympische Höhen zu trainieren... wer weiß...
Danke für's Lesen - zugegeben, heute war der Beitrag recht lang und was für Besserwissi's. Und falls Du meine Posts gerne liest - diesen hier solltest Du teilen, teilen, teilen - denn je mehr Menschen wie Suzanne sich auf die Beine machen und aufhören, an ein ewiges Pechvogeldasein zu glauben, desto einfacher und entspannter wird das Leben für uns alle. Von glücklichen Menschen umgeben... eine herrliche Vorstellung!
Beste Grüße.
Miriam
Quellen:
https://www.huffingtonpost.com/rabbi-alan-lurie/feeling-lucky_b_185165.html
Welt: Glück - die Erforschung unserer größten Sehnsucht, Anne Backhaus, Alexander Czogalla, Fanny Jimenez