Manipulation? Die machst Du am besten selbst!
Beeinflussung findet von außen statt? Nein. Nur von innen - ist unsere ketzerische These.
Unser Gehirn verselbständigt sich von Haus aus. Das ist gut, denn nur dadurch sind wir Menschen im Stande, ein Auto zu fahren, währenddessen zu telefonieren, ein Croissant zu essen und gleichzeitig immer noch zu wissen, dass wir auf dem richtigen Weg zu unserem Ziel sind.
Die meisten dieser Tätigkeiten finden unbewusst, also automatisiert statt. Unser Gehirn vollzieht den Wechsel eines Verhaltens in die Tiefe der Automatisierung gerne - damit spart es nämlich enorm viel Energie. Unser Gehirn ist eine Maschine, die uns unterstützt. Tagein - tagaus. Und es neigt zu Vereinfachung. Zu Generalisierung. Und zu Meinungsbildung. Denn nur dadurch kann es RECHT HABEN.
So geschieht genau das, was Dr. med. Austin Perlmutter in einem seiner aktuellen Artikel wundervoll beschreibt - und den wir an dieser Stelle in von uns übersetzter Fassung vorstellen:
Wie unser Gehirn uns heimlich manipuliert
Menschen sehen, lesen oder hören Nachrichten. Soweit, so gut. Nach dem regelmäßigen Konsum der tagesaktuellen Meldungen könnten viele von ihnen glauben, dass die Welt derzeit in Katastrophen und Chaos verfällt, obwohl sich viele Aspekte des Lebens in den letzten Jahrzehnten dramatisch verbessert haben.
Der herzliche Kontakt mit konsequentem Pessimismus und Gossip entspricht einer sehr ursprünglichen Neigung unseres Gehirns. Tag für Tag kann sie mit den zur Verfügung stehenden Medien gefüttert werden.
Dies möchten wir undiskutiert lassen, da Sendungen wie die Tagesschau oder ihr Pendant "heute" in Deutschland beinahe zu einem Kulturgut geworden sind. Schon als Kinder hörten wir täglich die eindringliche Fanfare, die den Start der wichtigen Meldungen ankündigt. In Frage wollen wir weder Inhalt noch Aufmachung von Nachrichtenmagazinen stellen - dies ist nicht unser Fachgebiet und wir lassen gerne die Finger davon.
Viel wichtiger ist uns, dass Psychologen, Mediziner und Medienwissenschaftler auf ein Phänomen hinweisen, das wir aus der Sicht der kommunikativen Gehirnverwendung als sehr spannend empfinden:
Studien (wie die unten angeführte Erhebung zur Beeinflussung unseres Verhaltens durch Nachrichtenmeldungen) zeigen recht eindrücklich, dass das, was wir in den Nachrichten sehen, unser intuitives Verhalten erheblich beeinflussen kann.
Vor allem negative und angsteinflößende Nachrichten, Lästerei und Schadenfreude filtert unser Gehirn durch mehrere Ebenen - sobald sie uns erreichen, und baut sie um in das, was wir allgemein über das Leben, die Welt und die Menschen um uns herum glauben.
Hier sind drei spezifische kognitive Verzerrungsmechanismen, die durch negative Nachrichten aktiviert werden, und zu nichts anderem dienen, als uns in einer generellen Anspannung zu halten.
Zu Zeiten von Säbelzahntigern und Mammuts, die uns hinter jedem Busch hätten auflauern können, war das übrigens eine sinnvolle Maßnahme.
Anmerkung: In diesem Artikel wird von sogenannten "Biases" gesprochen. Diese sind "Verzerrungen", die unser Gehirn verwendet, um uns in unseren Glaubenssystemen stabil zu halten.
Denn schließlich wollen wir Menschen alle vorrangig und unbewusst eines: Recht haben!
1.Negativitäsbias
Diese kognitive Verzerrung bezieht sich auf eine Gehirnfunktion, die dafür sorgt, dass Menschen negative Nachrichten schwer ignorieren können. Gehirnforscher gehen davon aus, dass sich viele Menschen einfacher auf negative Ereignisse, Informationen oder Emotionen konzentrieren, als auf ihre positiven Gegendarstellungen.
Diese Tendenz hat übrigens in vergangenen Zeiten einen evolutionären Vorteil gebracht (z. B. war es wahrscheinlicher, dass unsere Urahnen potenzielle Bedrohungen für ihre Sicherheit durch den Fokus auf Negatives schneller und genauer bemerkten).
In der modernen Welt ist es also recht einfach, unsere Präferenz für das Negative zu nutzen, um unsere volle Aufmerksamkeit erhalten. Dies erklären sogar recht einfach, warum in den Nachrichten immer wieder Geschichten über die schlimmsten Ereignisse der Welt hervorgehoben werden, sowohl auf globaler (z.B. Kriege) als auch auf lokaler Ebene (z.B. Raubüberfälle). Und warum negative, große Schlagzeilen und schlimmster Klatsch und Tratsch wahrhaftig immer die Titelseite von Zeitungen zieren.
Negativitiy sells - beinahe so gut wie Sex.
Unser Gehirn springt also nicht nur sehr zuverlässig an, wenn ihm etwas negatives serviert wird, Medien können diesen Mechanismus aktiv nutzen, um ihre Zeitungen, Berichte und Services erfolgreicher zu verkaufen. Dies sei ihnen jetzt schon einmal vergeben - schließlich ist unsere Welt in weiten Teilen auf Erfolg und Verkauf ausgelegt.
2. Verfügbarkeitsbias
Diese Art von Verzerrung steht dafür, dass wir, nachdem wir eine katastrophale Botschaft wahrgenommen haben, sofort intuitiv damit beginnen, ihre Bedeutung überschätzen. Verfügbarkeitsverzerrung (auch als Verfügbarkeitsheuristik bezeichnet) ist die Tendenz der Menschen, wenige Beispiele überzuwerten und allgemeine Schlüsse und Gesetze daraus abzuleiten.
Diese Beispiele werden unmittelbar von dem beeinflusst, worauf Sie zuletzt Ihre Aufmerksamkeit gelenkt haben. Mentalisten nutzen diese "Bias", um vor ihrer Show Menschen so zu beeinflussen, dass diese sich später auf der Bühne auf jeden Fall für die Farbe "grün" und die "Tulpe" als wichtigste Blume in einem Bouquet entscheiden - und glauben, dass sie selbst genau diese Antworten frei ausgewählt haben. Tatsächlich wurde ihr Gehirn einfach kurz vor der Show mehrfach im Foyer, über Werbebanner und andere sichtbare "Gimmicks" auf diese Ideen gebracht.
Wenn Menschen also gerade eine Nachricht über einen lokalen Raubüberfall gesehen haben und dann nach Problemen in Ihrer Stadt gefragt wurden, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie behaupten, Raubüberfälle stellen derzeit das größte Problem der Kommune dar, auch wenn sie im Allgemeinen sehr selten vorkommen.
Wenn Konsumenten einer bestimmten Zeitung oder eines Fernsehsenders ständig mit negativen Nachrichten versorgt werden, ist die Verfügbarkeitsverzerrung im Gehirn hochaktiv. Es folgert (unbewusst für seinen Besitzer) dass schreckliche Ereignisse deutlich überwiegen und fängt an zu glauben, dass diese relativ seltenen Ereignisse tatsächlich den allgemeinen Zustand der Welt darstellen.
3. Bestätigungsvoreingenommenheit-Bias
Dieser Mechanismus liest sich sperrig und bedeutet, dass wir Beweise finden, die genau unsere vorher entstandenen Sichtweisen unterstützen. Liebevoll nennen wir diese Bias "die Rechthaber-Zentrale".
Bestätigungsvoreingenommenheit ist der Begriff dafür, dass wir aktiv nach Informationen suchen, die etwas bestätigen, an das wir bereits glauben. Wenn Menschen aufgrund einer Information entschieden haben, dass Raubüberfälle in Ihrer Heimatstadt offenbar ein primäres Problem darstellen, ist es aufgrund der Bestätigungsverzerrung wahrscheinlich, dass sie in vielen Bereichen von nun an Beweise witteren die diese These untermauern. Geschichten von vor 50 Jahren, in denen Oma Erna auch schon mal überfallen und ausgeraubt wurde, bekommen nun einen völlig anderen Beigeschmack. Sie sind sogar "nachträgliche Beweise" dafür, dass eine neu gewonnene These stimmt.
Das Gehirn stürzt sich geradezu selektiv auf die Informationen, die eine bereits existierende Theorie stützen, und ignoriert aktiv (und auch wieder unbewusst) widersprüchliche Fakten. Wenn Menschen also in größerem Maßstab glauben, dass die Welt ein schrecklicher Ort ist, bedeutet Bestätigungsvoreingenommenheit, dass sie beständig und fast überall Beweise finden, die dies bestätigen.
Gegendarstellungen nimmt das Gehirn wahlweise gar nicht wahr, oder schiebt sofort neue Beweise nach, die das bevorzugte Glaubenssystem nähren. Es möchte "recht haben", denn "recht haben" bedeutet, dass alles zusammenpasst, dass wir die Kontrolle haben und dass wir die Welt richtig verstehen. Recht haben verursacht zudem einen sich recht gut anfühlenden Adrenalin- und Endorphinausstoß - unsere Hormone sorgen also für erfolgsähnliche, glückliche und sichere Momente.
Wenn diese drei Biases kombiniert werden, findet das Gehirn (wegen der vielen Säbelzahntiger da draußen) Negativität, übertreibt ihren Sinnhaftigkeit und zu zementiert sie durch die subjektive Beweislage.
Durch den ersten Bias konsumieren Menschen aufgrund einer alten Überlebensstrategie bevorzugt negative Inhalte. Sie fokussieren und verbreiten "naturgemäß" negative Geschichten, um dadurch wiederum mehr Aufmerksamkeit (und Zuschauerzahlen) zu erhalten.
Als nächstes veranlasst die Verfügbarkeitsverzerrung unser Gehirn, die schlechten Dinge in der Welt überzurepräsentieren und überzubewerten.
Schließlich suchen wir aufgrund von Bestätigungsvoreingenommenheit eher nach Informationen, die diese Vorstellung von der Welt als schrecklichem Ort unterstützen, und lehnen gleichzeitig Informationen ab, in denen etwas anderes dargestellt und sogar bewiesen ist.
Den Kreislauf durchbrechen
Was nun tun? Säbelzahntiger sind lange ausgestorben, Mammuts auch. Unser evolutionär vorbelastetes Gehirn weiß das allerdings nicht. Es nutzt uralte Mechanismen, um offenbar hart am Ziel eines schönen, entspannten Lebens vorbeizuschlittern - was dramatisch ist. Denn das Bestreben der gesamten, modernen Welt ging in den letzten Jahrhunderten darum, uns eine sichere Umwelt zu erschaffen. Eine Welt, in der wir ohne tägliche Furcht ums Überleben die Schönheit dieses Planeten genießen sollten. Stattdessen - verhindern scheinbar recht viele Menschen den Genuss dieser Errungenschaften.
Dr. Austin Perlmutter rät:
Begrenzen Sie den Konsum von Negativität an der Quelle, um die nachteiligen Auswirkungen der Negativitätsverzerrung zu verringern. Es ist eine Sache, informiert zu sein, und eine ganz andere, sich stundenlang einer beinahe schon auffällig aufgeblasenen Negativität auszusetzen.
Fragen Sie sich vor und nach dem Konsum der von Ihnen gewählten Nachrichtenportale, wie viel Sie wirklich gelernt haben.
Wenn Sie größtenteils einfach nur eine Bestätigung für das bekommen haben, was Sie ohnedies bereits geglaubt haben, sollten Ihre Alarmglocken hörbar losklingeln. Nichts oder kaum etwas Neues? Schalten Sie die Nachrichten aus! Gerade, wenn Sie sich zudem noch wütend, traurig oder auf andere Weise frustriert fühlen.
Besser noch: Probieren Sie eine Woche lang sogenanntes Nachrichtenfasten aus und beobachten Sie sehr wachsam die Unterschiede in Ihrer Befindlichkeit, Ihrer Tagesform und Ihres Verhaltens sich selbst und anderen gegenüber. Die Erkenntnisse können Sie verwenden, um nach der Woche wohldosiert und sehr weise auszuwählen, woher Sie wie viele Informationen in Zukunft beziehen möchten.
Versuchen Sie, negative Informationen in einen Kontext zu setzen, um das Risiko von Verfügbarkeitsverzerrungen zu verringern. Jeden Tag passieren schlimme Dinge, aber das bedeutet nicht, dass das Leben notwendigerweise schlecht ist oder schlechter wird.
Wenn Sie eine negative Statistik oder eine kürzlich aufgetretene Katastrophe hören, sollten Sie diese nicht einfach hinnehmen, sondern stattdessen prüfen, ob dies einen isolierten Datenpunkt darstellt ist oder tatsächlich Teil eines größeren Trends ist. Viele Medien zeigen weder Quellen auf, noch setzen sie Zahlen, Angaben oder Pluralismen in Relation zu anderen Werten.
Schließlich kommen wir zu Bestätigungsvoreingenommenheit. Bei so vielen Meinungen und Datenmengen, die heutzutage im Umlauf sind, ist kinderleicht, eine Bestätigung für praktisch jede Meinung zu finden.
Umso wichtiger ist es, Strategien zu entwickeln, um die negativen Auswirkungen dieser Tendenz auf unser Denken zu verringern. Ein wirksamer Weg ist, Ihre Überzeugungen regelmäßig in Frage zu stellen. Auf welchen Fakten basieren Ihre Meinungen?
Nachdem Sie beispielsweise mehrere schreckliche Artikel über die jüngsten Straftaten gelesen haben, denken Sie vielleicht, dass Ihre Heimatstadt zu einem gefährlicheren Wohnort geworden ist, aber haben Sie tatsächlich echte Daten untersucht, um diese Idee zu unterstützen? Als allgemeinere Intervention mit der Frage: "Was könnte mich hier in die Irre geführt haben?" ist eine fantastische Möglichkeit, um ihr Gehirn auf eine neutralere Bahn zu lenken und eventuell schon festgefahrene, nicht mehr bewusst wahrnehmbare Verzerrungen auf den Prüfstand zu legen.
Unser Gehirn ist ein Wunderwerk. Es dient uns in jeder "erdenklichen" Weise - und ist im Zweifel Ihr größter Verteidiger. Recht haben ist prima - und bringt Menschen bisweilen in große Schwierigkeiten. Wie wir alle es schon erlebt haben... vermutlich.
Danke für Ihr Interesse und herzliche Grüße.
Ihr kontext*denken Team.
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Inhaltlich angelehnt an die medizinisch-klinische Studie "Die Rolle der Medien bei der Erzeugung von akutem Stress nach den Bombenanschlägen auf den Boston-Marathon" von E. Alison Holman, a Dana Rose Garfin, b und Roxane Cohen Silverb, c, d, 1, National Academy of Sciences, Sammlung medizinischer Studien